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Bei all dem baut relations in seinen Projekten auf eine Tradition auf, die das europäische Miteinander im Kulturbereich seit langem prägt. So gelang es der Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheinbar mühelos, Künstler in Paris, Berlin, Moskau und weiteren europäischen Zentren zu einem intellektuellen Stromkreis zusammenzuschließen. Heute, da das europäische Projekt in einer Krise steckt, wächst auf Seiten der europäischen Politik das Interesse an dieser Tradition des Kulturaustausches und damit an der Frage, welche Rolle die Kultur in Europa spielen kann.

"Europa lässt die Menschen nicht mehr träumen." Mit diesen nüchternen Worten zitiert Jürgen Habermas nach dem Scheitern der französischen und niederländischen Verfassungsreferenden den EU-Politiker Jean-Claude Juncker. Die Qualität eines Traumes aber wird Europa auf Grundlage eines acquis communautaire allein kaum erlangen können. Vielmehr muss es versuchen, die Treibstoffe von Kunst und Kultur einzusetzen, um europäische Erfahrungen lebendig zu machen: mit dem Mut zur Vision, der Ausdauer im produktiven Dissens, im Geist der Utopie und in der Sensibilität auch für die Konflikte und brutalen Facetten europäischer Wirklichkeit.

Die Kulturstiftung des Bundes versucht, den europäischen Einigungsprozess von beiden Systemen aus zu befördern: der kulturellen Praxis und der Politik. relations ist eine der Initiativen, mit denen sich die Kulturstiftung des Bundes für die Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit stark macht – einer Öffentlichkeit, deren Sprache wir auf allen Seiten – der Politik, der Kultur und der Kulturvermittlung – erst einmal zu lernen haben. Diese DVD, ein Brevier von Beobachtungen in Chişinău, Sofia, Pristina, Sarajevo, Warschau, Zagreb und Ljubljana, liefert Stoffe zuhauf, um einen solchen Lernprozess zu befördern. Sie produziert Wahrnehmungen und Bilder eines Europas, das geographisch umfassender und politisch komplexer ist als das der Europäischen Union. Eines Europas unterschiedlicher Aggregatzustände: Krisenregionen neben Wachstumskorridoren, Visa-Barrieren neben Marktplätzen globaler Konzerne, vermeintlich fortschrittsintensive neben scheinbar rückständigen Zonen.

Jede Publikation wendet sich an eine bestimmte Leserschaft. Ich wünsche diesem digitalen relations-Archiv drei Gruppen von Lesern: Politiker, die es als Erkenntnisinstrument für die europäische Gegenwart lesen mögen; Künstler und Kulturakteure, die darin hoffentlich Anreize finden für Projekte jenseits etablierter Kultursysteme; schließlich jene – ihre Zahl möge groß sein –, die nicht aufhören wollen, ihrem Traum von Europa Nahrung zu geben.

Hortensia Völckers, Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes

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