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Hauptstadt: Zagreb, 779 145 Einwohner (2001), im Jahr 1991: 930 800 Einwohner
Einwohner
: 4 437 460 (2001)
Bevölkerung:
89,6 Prozent Kroaten ( 1991: 78,1 Prozent ), 4,5 Prozent Serben (1991: 12,2 Prozent ), 5,9 Prozent andere Minderheiten (2001)
Fläche:
56 542 Quadratkilometer
Bruttoinlandsprodukt (BIP):
28 810 Millionen US-Dollar (2003)
BIP pro Kopf:
6 498 US-Dollar (2003)

 

Ende der autokratischen Herrschaft

Die ersten freien Wahlen in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ)1990 leiteten die entscheidende Phase des Staatszerfalls ein. Ähnlich wie in Slowenien arbeiteten in Kroatien die oppositionellen Kräfte auf eine Eigenständigkeit hin. Viele der Akteure waren zu Beginn der 1970er Jahre bereits am "kroatischen Frühling"1  beteiligt gewesen. Zur wichtigsten Kraft entwickelte sich die nationalistische Sammlungsbewegung Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ). Unter der Führung des ehemaligen Generals Franjo Tudjman2  kam die Partei im Frühjahr 1990 an die Regierung. Ideologisch bezog die HDZ sich auf sehr heterogene politische Traditionen, die vom nationalen Befreiungskampf im Zweiten Weltkrieg bis zum Ustascha-Staat3  reichten. Am 9. Mai 1991 fand ein Referendum statt, das sich eindeutig für die Sezession aussprach. Die Erklärung der Unabhängigkeit erfolgte am 25. Juni 1991.

Die staatliche und territoriale Integrität des Landes erwies sich zunächst als fragil. Im Gegensatz zu der relativen ethnischen Homogenität in Slowenien lebte in Kroatien eine große serbische Bevölkerungsgruppe. Deren Minderheitenvertreter reagierten auf die kroatischen Sezessionsbestrebungen mit der Ausbildung eigener Staatsstrukturen. Die Konsolidierung der neuen Republik verlief aber auch deshalb zögerlich, weil das von der HDZ propagierte Projekt der ethnischen Nationalstaatsbildung eine Vereinigung mit den Kroaten in Bosnien-Herzegowina anstrebte. Darüber hinaus befand sich das Land in einem jahrelangen Kriegszustand mit der Jugoslawischen Armee und paramilitärischen Einheiten der Serben. Im Zuge dessen kam es nicht nur zur Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen, sondern zusätzlich blockierten die wachsenden Machtbefugnisse der Militär- und Sicherheitsorgane die Entwicklung demokratischer Strukturen. Das Ineinanderfallen von Systemwechsel, Staatenbildung und Krieg bildete eine konfliktreiche Konstellation, die für ein ganzes Jahrzehnt die politische Dynamik der kroatischen Gesellschaft prägte. Maßgeblich war zudem die Person von Tudjman, der zum ersten Staatspräsidenten gewählt wurde und dank seiner verfassungsmäßigen Vollmachten über eine außerordentliche Macht verfügte. Eine wichtige Rolle spielt schließlich bis heute der katholische Klerus, der traditionell eine starke Affinität zum kroatischen Nationalismus aufweist.

Nachdem die Armee die serbisch kontrollierten Gebiete Kroatiens fast vollständig zurückerobern konnte, gewann die HDZ die vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober 1995 erneut. In den folgenden Jahren wuchs allerdings die allgemeine Unzufriedenheit über die ökonomischen und politischen Verhältnisse. Fälle von Korruption, eine Liquiditätskrise sowohl der öffentlichen Hand wie auch privater Unternehmen und interne Fraktionskämpfe schädigten das Ansehen der Regierungspartei nachhaltig. Die Behinderung der Rückkehr von 300 000 serbischen Flüchtlingen, die Unterstützung nationalistischer Kreise in Bosnien-Herzegowina und die unterlassene Ahndung von Kriegsverbrechen isolierten das Land zudem außenpolitisch.

Bei den Wahlen zu Beginn des Jahres 2000 erlitt die HDZ deshalb eine empfindliche Niederlage, und eine von der postkommunistischen Sozialdemokratischen Partei (SDP) geführte Koalition bestimmte nun für vier Jahre den Regierungskurs. Fast gleichzeitig war nach Tudjmans Tod Stipe Mesič, Mitglied der liberalen Kroatischen Volkspartei, in das höchste Staatsamt gewählt worden. Mit Hilfe einer Verfassungsänderung schaffte das Parlament das semipräsidentielle System ab, behielt aber das Amt eines direkt gewählten Präsidenten bei. Unter der Mitte-links-Regierung begann Mesič einige Tabus aus der Tudjman-Ära zu brechen. Er versuchte das Verhältnis zu Serbien zu normalisieren, beendete die Unterstützung für die kroatischen Separatisten in Bosnien-Herzegowina und propagierte eine verstärkte Kooperationsbereitschaft gegenüber dem Strafgerichtshof in Den Haag. Dank seiner ausgleichenden Position wurde Mesič im Januar 2005 erneut zum Staatspräsidenten gewählt.

Die brüchige sozialliberale Koalition konnte allerdings zentrale Wahlversprechen nicht einlösen. Trotz eines neoliberalen Wirtschaftsprogramms wuchsen das Außenhandelsdefizit und die Staatsverschuldung weiter an. Ebenso unterblieb eine grundlegende Reformierung des korrupten Justizapparates. Die Kroatische Demokratische Gemeinschaft profilierte sich hingegen in der Opposition als Bewahrerin der nationalen Würde und unterlief die behauptete Kooperation mit dem Den Haager Tribunal. Gleichzeitig entwickelte die HDZ sich unter der Führung von Ivo Sanader, vormals ein enger Vertrauter Tudjmans, zu einer modernen konservativen Partei, die sich auch zur Integration in Nato und Europäische Union bekannte.

Seit Jahresbeginn 2004 ist eine Mitte-rechts-Minderheitenregierung unter der Führung der HDZ an der Macht. Die parlamentarische Unterstützung durch die serbisch-kroatische SDSS sicherte sich der neue Premier Sanader mit einem Abkommen, das den Serben versprach, die vorherrschende Diskriminierungspolitik zu beenden, und eine Rückkehr der Flüchtlinge in Aussicht stellte. Damit war zugleich eine wichtige Voraussetzung für den Beitritt zur Europäischen Union erbracht.

Der Europäische Rat stufte im Jahr 2000 die fünf Staaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Serbien-Montenegro und Mazedonien als potentielle Kandidaten für die EU-Mitgliedschaft ein. Als Instrument der Integration dient der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP), dessen wichtigstes Ziel es ist, den "West-Balkan", so die offizielle Terminologie der EU-Kommission, an die Europäische Union heranzuführen. Wesentlicher Bestandteil des Verfahrens sind Prinzipien wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz sowie die Erfüllung des Dayton-Vertrages und die Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrecher-Tribunal. Vor einem Beitritt zur EU müssen zudem die Kopenhagener Kriterien erfüllt sein. Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess bietet wiederum die Möglichkeit vertraglicher Beziehungen mit der EU in Form von Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) an. Bisher konnten erst zwei Länder in der Region ein solches Abkommen abschließen, außer Kroatien (Oktober 2001) auch Mazedonien (April 2001). Die kroatische Regierung stellte dann am 21. Februar 2003 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU, obwohl nicht alle Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifiziert hatten. Dennoch billigte der Europarat Kroatien im Juni 2004 den Status eines Kandidaten zu. Ein wichtiges Hindernis für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen stellte die mangelnde Kooperation mit dem Den Haager Strafgerichtshof dar. Aber auch die Ablehnung der europäischen Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden sowie das Scheitern des EU-Gipfels in Brüssel bewirkten eine Verschiebung der Beitrittsverhandlungen. Die Option der kroatischen Regierung, die Verhandlungen mit der Europäischen Union noch 2007 abzuschließen, schien deshalb unrealistisch. Der konservativen österreichischen Regierung gelang es jedoch, ihre Zustimmung zu EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei von der Eröffnung dieses Prozesses mit Kroatien abhängig zu machen. Überraschenderweise bescheinigte die Den Haager Chefanklägerin Carla Del Ponte Anfang Oktober 2005 der Regierung in Zagreb eine uneingeschränkte Kooperation bei der Suche nach Kriegsverbrechern.

 

Wachsende Handels- und Leistungsdefizite

Vor der Unabhängigkeit gehörte Kroatien zu den ökonomisch überdurchschnittlich entwickelten Republiken der Föderation. Die Wirtschaft des Landes war stark auf den innerjugoslawischen Handel und den osteuropäischen Markt ausgerichtet. Der Zusammenbruch des "sozialistischen Lagers" und der sich anschließende Sezessionskrieg führten zu einem weitgehenden Verlust der Absatzfelder. Der Krieg vernichtete ein Viertel der Produktionskapazitäten, und der Tourismus, eine der wichtigsten Einnahmequellen Kroatiens, kam fast vollständig zum Erliegen. Die Inflationsrate stieg 1993 auf über 1500 Prozent an, das Bruttoinlandsprodukt betrug nur noch 60 Prozent des Vorkriegsniveaus.

Die Hyperinflation konnte mit einem Stabilisierungsprogramm jedoch erfolgreich bekämpft werden. Die kroatische Wirtschaft hat das Niveau von 1989 zwar noch immer nicht erreicht, das Pro-Kopf-Einkommen lag 2003 mit 6489 US-Dollar aber über dem in Rumänien, Bulgarien oder Polen. Zur Erwirtschaftung des Bruttoinlandsprodukts trug der Dienstleistungssektor mit 62 Prozent der Wertschöpfung bei, die Industrie mit 30 Prozent und die Landwirtschaft mit 8 Prozent (2003). Die Wachstumsraten gehen vor allem auf Investitionen in die Infrastruktur für Verkehr und Tourismus sowie auf eine starke private Nachfrage nach hochwertigen Konsumgütern zurück. Diese Ausgaben wurden durch internationale Anleihen und Bankkredite finanziert. Entsprechend stieg die Auslandsverschuldung seit 1999 von 14 Milliarden US-Dollar auf rund 25 Milliarden US-Dollar an. Mit 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt das Verschuldungsniveau von Kroatien höher als in den meisten anderen postsozialistischen Ländern. Dafür ist auch das bedrohlich anwachsende Außenwirtschaftsdefizit verantwortlich zu machen. Gegenwärtig wickelt Kroatien mit den Mitgliedern der erweiterten Europäischen Union (EU-25) mehr als 70 Prozent seines gesamten Außenhandels ab. Während die kroatischen Ausfuhren in die EU seit 1990 kaum zugenommen haben, verdreifachten sich die Importe aus der EU. Insgesamt erreichte der Fehlbetrag in der Handelsbilanz 2003 mit 7,9 Milliarden US-Dollar einen vorläufigen Höchststand.

Für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der kroatischen Wirtschaft machen führende Vertreter der Europäischen Union und internationaler Finanzinstitutionen den schleppend vorankommenden Privatisierungsprozess verantwortlich. Dabei muss man im Fall von Kroatien berücksichtigen, dass sich in Jugoslawien im Gegensatz zu anderen sozialistischen Ländern die Produktionsmittel nicht in Staatsbesitz befanden, sondern gemäß dem jugoslawischen Selbstverwaltungssozialismus4  den Betriebsangehörigen eines Unternehmens gehörten. In einem ersten Schritt wurden 1991 die bisherigen Eigentumsrechte der Kollektive aufgehoben und die Betriebe in Staatseigentum verwandelt. In einer zweiten Phase versuchte man die Produktionsanlagen durch öffentliche Ausschreibungen und Auktionen zu veräußern. Ähnlich wie in anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens propagierte die kroatische Regierung das Modell, durch eine "Insiderprivatisierung" aus den ehemaligen Beschäftigten Aktionäre zu machen. Doch schon bald konnten die Parteigänger der HDZ dank ihrer politischen Beziehungen die Betriebe billig aufkaufen. Es entstanden Firmenkonglomerate, deren Eigner weniger an einer Modernisierung der Produktionsanlagen als an kurzfristigen Profiten interessiert waren. Im Verhältnis zu den meisten anderen postsozialistischen Ländern unterlag die kroatische Wirtschaft weitaus geringeren Restrukturierungen auf mikroökonomischer Ebene. Noch immer produziert das Land 50 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in hochdefizitären Staatsbetrieben. Ende 2004 knüpfte der Internationale Währungsfonds die Vergabe weiterer Kredite deshalb an ein umfassendes Sanierungsprogramm: Neben Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und einer Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse soll eine forcierte Privatisierung bzw. die Schließung von staatlichen Unternehmen durchgesetzt werden.

Die schlechte Exportbilanz hat Kroatien dazu veranlasst, frühere Austauschbeziehungen wieder aufzunehmen. Nach dem Freihandelsabkommen mit Serbien-Montenegro und Albanien (2002) hat Kroatien jetzt mit allen Staaten in der Region Verträge dieser Art abgeschlossen. Gleichwohl liegt das heutige Ausmaß des Handels mit den ehemaligen jugoslawischen Republiken noch weit unter dem Niveau der 1980er Jahre.

In den letzten Jahren konnte Kroatien den Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen steigern. Ein großer Teil stammt aus der Europäischen Union, insbesondere aus Österreich und Deutschland, die neben Italien die wichtigsten Handelspartner sind. Das internationale Kapital fließt vor allem in die Bereiche der Telekommunikation, der Finanzdienstleistungen und der Tourismusindustrie. Als Handelspartner hat Deutschland in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren, rangiert aber immer noch auf dem zweiten Platz, während Kroatien für den deutschen Außenhandel nur eine marginale Rolle spielt.

 

Verarmung der kroatischen Gesellschaft

Die Privatisierung hat zu einem verschärften Gegensatz zwischen einer kleinen Gruppe von sogenannten Tycoons und der breiten Bevölkerung geführt. Kroatien weist seit vielen Jahren eine hohe Arbeitslosenquote auf, 2003 betrug sie offiziell 19,4 Prozent. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen 25 und 40 Prozent der kroatischen Wertschöpfung in der Schattenwirtschaft entsteht. Gegenwärtig leben je nach Schätzung zwischen 15 und 18 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Da sich die ökonomischen Investitionen vor allem auf die Hauptstadt Zagreb und die angrenzenden Regionen konzentrieren, entsteht zudem ein wachsendes regionales Ungleichgewicht bezüglich Prosperität und Beschäftigung. Seit der Unabhängigkeit haben eine halbe Million Menschen das Land verlassen, während lediglich 250 000 Personen zurückgekehrt sind. In Deutschland lebt noch immer die größte kroatische Minderheit in Westeuropa (etwa 231 000 Personen). Die Deindustrialisierung und hohe Arbeitslosenquoten unterminieren auch das Rentenversicherungssystem: 1980 bestand mit 1,8 Millionen Beschäftigten und 450 000 Rentnern noch eine relativ günstige Relation. Heute müssen eine Million Nettobeitragszahler für eine Million Rentenempfänger aufkommen. Deren Zahl wuchs unter anderem deshalb an, weil die Regierung eine Frühverrentung von Arbeitslosen forcierte. Außerdem immigrierten viele Kroaten, die vor der Unabhängigkeit in Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro gelebt hatten, nach Kroatien, und auch für ihre Pensionsansprüche hat nun der Staat aufzukommen.

 

Nachlassen der Zensur

In den 1990er Jahren war die Informationsfreiheit in vielfacher Weise eingeschränkt. Die HDZ hatte die Privatisierung auch dafür genutzt, drei der zehn existierenden Tageszeitungen aufzukaufen und sie politisch nach einem klaren Freund-Feind-Schema auszurichten. Ebenso wurde eine gesetzliche Bestimmung extensiv angewandt, welche die Verunglimpfung der fünf wichtigsten Repräsentanten (Präsident, Ministerpräsident, Parlamentspräsident, Präsident des Verfassungs- und Obersten Gerichts) unter Strafe stellte. Hunderte von Prozessen mit hohen Entschädigungsansprüchen wurden von Personen aus dem Umfeld der HDZ eingeleitet, um unliebsame Journalisten einzuschüchtern. Eine zentrale Rolle bei der Gleichschaltung der Öffentlichkeit spielte vor allem der staatliche kroatische Rundfunk- und Fernsehsender (HRT), zugleich einer der bedeutendsten Medienkonzerne. Die gesetzliche Regelung, dass die Mitglieder des Programmrates vom Parlament gewählt werden, ermöglichte es der HDZ, mit ihrer Mehrheit das Staatsfernsehen in ein regierungskonformes Organ zu verwandeln. Die Mitte-links-Regierung veränderte 2003 allerdings die Auswahlkriterien und die Zusammensetzung des Gremiums und formte den Sender in ein öffentlich-rechtliches Unternehmen um. Auch der sogenannte Verunglimpfungsparagraph wurde entschärft.

In den späten 1990er Jahren stiegen auch ausländische Unternehmen in den kroatischen Medienmarkt ein. So ist unter anderem der Konzern der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) mit 50 Prozent an der Europapress Holding, einem der größten Presseunternehmen in Kroatien, beteiligt, und das Dritte Programm des Kroatischen Fernsehens wurde nach der Privatisierung an die RTL-Gruppe verkauft, die innerhalb kurzer Zeit große Marktanteile erobern konnte.


 

1 "Kroatischer Frühling" wird die nationalistische Bewegung in Kroatien zu Beginn der 1970er Jahre genannt, die eine größere Autonomie gegenüber Belgrad erreichen wollte. Bestimmte Strömungen stellten auch das kommunistische Einparteiensystem in Frage oder forderten die Aufstellung einer eigenen Armee und die Mitgliedschaft Kroatiens in der UNO. Das Regime Titos [S. 574] reagierte auf die Bewegung mit aller Härte. Die kroatische Parteiführung musste im Dezember 1971 zurücktreten, und viele Mitglieder des Kommunistischen Bundes Kroatiens wurden ausgeschlossen. [zurück]

2 Franjo Tudjman (1922-1999) war der erste kroatische Staatspräsident nach der Unabhängigkeit Kroatiens. Er schloss sich 1941 den kommunistischen Partisanen an und durchlief nach der Befreiung eine Karriere als Berufsoffizier. Tudjman promovierte als Historiker und versuchte die Geschichtswissenschaft in den Dienst nationalkroatischer Ambitionen zu stellen. Nach dem "kroatischen Frühling" kam er 1972 wegen "nationalistischer Umtriebe" in Haft und musste wegen ähnlicher Vergehen von 1981 bis 1984 erneut ins Gefängnis. [zurück]

3 Nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Jugoslawien wurde im April 1941 der "Unabhängige Staat Kroatien" ausgerufen, dessen Territorium Kroatien (ohne die von Italien und Ungarn okkupierten Gebiete) und Bosnien-Herzegowina umfasste. Eher aus Mangel an anderen Kollaborateuren griff Hitler dabei auf die faschistische Ustascha-Bewegung zurück. Das Marionettenregime des Ustascha-Zagreb Staates war für den Völkermord an Serben, Juden sowie Sinti und Roma verantwortlich. [zurück]

4 In Abgrenzung zur Sowjetunion entwickelten die jugoslawischen Kommunisten das Modell von der "Selbstverwaltung der Produzenten". Das soziale Experiment dieses Selbstverwaltungssozialismus begann Ende 1949 mit der Gründung von Arbeiterräten in den Staatsbetrieben, als "Organisationen der vergesellschafteten Arbeit". Ab den 1960er Jahren entstanden in allen Bereichen der Gesellschaft Strukturen der Selbstverwaltung. Ein kompliziertes und letztlich unüberschaubares System von Delegationsebenen bildete sich heraus, das zunehmend schwerfälliger und bürokratischer wurde. [zurück]